Ihr habt wahrscheinlich schon gemerkt, dass wir dieses Jahr unsere Bahn zum Berg – Antennen und -fühler in die Bundesländer ausstrecken. Auf diesem Wege sind wir unter anderem in Oberösterreich gelandet. Besonders schön, weil wir für dieses Bundesland auch in Kooperation mit POW schon ein tolles Öffi-Wanderbuch herausgebracht haben.
Ried möchte auf Bahn zum Berg!
Zugegeben, Ried im Innkreis hatte ich nicht sofort auf dem Schirm. Liegt es doch von dem Bergland ganz schön weit entfernt und leider auch verkehrstechnisch nicht besonders praktisch.
Manchmal aber geht es ganz leicht: Max Gramberger, seines Zeichens Obmann der Giesserei, dem Zentrum für Nachhaltigkeit in Ried, streckt nämlich seine Fühler aus, nachdem er Martin bei einem Workshop in Wien kennengelernt hatte. Seine Bitte: „Könnt ihr Ried zum Heimatbahnhof auf Bahn zum Berg machen?“
Aus dieser ersten Frage wird ein Mail-Verkehr und dann ein Call und wir fassen einen Entschluss: Um Bahn zum Berg auch im Innviertel sichtbarer zu machen und auch gleich potentielle neue Tourenreporter:innen anzusprechen, organisieren wir zusammen eine Veranstaltung. Die Giesserei hat einen wunderbaren Veranstaltungssaal am Dachboden und das Thema „Nachhaltigkeit“ passt ja sowieso bestens zu uns.
Bambus-Zahnbürste und Mittagessen
Es wird der 18.März 2025, ein Dienstag, irgendwo zwischen Nicht-mehr-Winter und Noch-nicht-Frühling.
Ich reise mit der Westbahn bis Attnang-Puchheim und dann weiter mit dem Regionalzug Richtung Schärding nach Ried. Um mich ein bisschen auf den Abend einzustellen, verbringe ich gleich mal den halben Nachmittag in der Giesserei. Die ist nämlich außerordentlich schön.
Im Erdgeschoß wird fleißig gebaut, da zieht mit 1.April ein Weltladen ein. Darüber ist eine Etage Gastronomie mit Mittagsgerichten und herrlichen Kuchen. Und wieder einen Stock höher der bereits erwähnte Veranstaltungssaal. Ich genieße mein Mittagessen, arbeite und schlendere dann gleich durch die Regale, die sich am Rande des Cafés befinden: Dort findet man nämlich allerlei nachhaltig produzierte Produkte. Von Spielsachen über Postkarten bis hin zu Seifen und Bürsten und Besen. Vieles kommt aus der Region. Ich freu mich doppelt, da ich nämlich meine Zahnbürste in Wien vergessen habe und hier eine viel schönere aus Holz in einem Bambus-Reiseschachterl erstehe. Cool!
Aber wirklich: Keine Sessel mehr!
Ein kleiner Zeitsprung zum Abend: Wir haben uns für den Öffi-Themenabend „Quer durch Oberösterreich: Ausflüge und Wanderungen mit den Öffis“ drei Inputs überlegt – Bahn zum Berg (ich), der Alpenverein Ried (Patrick Obermüller & Hans-Peter Trattner) und die Wanderführerin und Buchautorin Claudia Schallauer (auch eine Oberösterreicherin, aus Wels).
18.40 und ich wundere mich schon ein wenig über die ersten Besucher:innen, die sich bereits einen Platz im Saal sichern. Sind die alle so überpünktlich in Ried? Wir haben 35 Sessel gestellt, lieber nicht mehr, „damit es nicht komisch aussieht, wenn viele leer bleiben“. Aber ich hab das kleine Ried völlig unterschätzt.
Ab 10 vor sieben strömen – und damit meine ich wirklich strömen! – die Menschen nämlich in den Saal. Ältere Besucher:innen, aber nicht nur. Menschen, die einander schon kennen. Die Stimmung ist von Minute zu Minute wuseliger, neugieriger und – die Sessel reichen nicht mehr. Mehrmals sehe ich Giesserei-Teammitglieder, die noch verbleibende Sessel versuchen aufzutreiben. Aus der Gastro unten, andere Klappsessel. Irgendwann werden sogar Schreibtischsessel von den Giesserei-Co-Working-Plätzen in den Saal geschoben. Wow. Ich bin hier schon ganz schön sprachlos.
Der Titel dieses Textes heißt „Keine Sessel mehr in Ried!“ und das tritt wortwörtlich ein. Kurz vor Beginn des Abends zähle ich die Gäste – bei 94 höre ich auf. Hinten sitzen Menschen auf Tischen, insgesamt sind irgendwann über 100 Menschen im Raum und ich bin sehr dankbar, so einen tollen und doch großen Saal zu haben.

„Nicht nur raunzen, einfach mal tun!“
Max stellt das Konzept der Giesserei kurz vor und bei mir bleibt vor allem ein Satz hängen: „Nicht nur raunzn, sondern einfach mal tun.“ An den kann ich bei meinem Input, der nun folgt, sehr gut anknüpfen. „Nicht immer nur sudern, wie lang man mit den Öffis irgendwohin braucht, sondern einfach mal eine schöne Öffi-Tour, die möglich ist, ausprobieren!“ – das wäre der Ausdruck von Max wohl umgelegt auf Bahn zum Berg.
Ich nutze die Gelegenheit, Zuugle als konkrete Suchmaschine und Bahn zum Berg als Tourenportal für Inspirationen ausführlich vorzustellen. Da zu diesem Zeitpunkt Ried noch kein Heimatbahnhof ist, schlage ich Wanderungen ab „Attnang-Puchheim“ vor. Da gibt’s gleich Diskussion im Saal: „Bis Attnang? Das ist aber schon weit!“ Das Publikum ist interaktiv und austauschfreudig, das mag ich. (Zur Info: Bis Attnang-Puchheim sind es mit dem Regionalzug 40 Minuten.)
Inspirationen ebenso wie Nachholbedarf
Es folgen die Inputs vom Alpenverein Ried, der u.a. die Rieder Hütte vorstellt, die in Sachen Nachhaltigkeit schon Vorreiterin ist: Es gibt nur selbstgemachte Speisen, fast alles vegetarisch, alles regional. Der Hüttenwirt reist zur Hütte mit den Öffis und zu Fuß an. Außerdem wurde die gesamte Heizung umgestellt und die Hütte seit 2024 umfassend modernisiert. Inspirierend! In Sachen Öffi-Wanderungen besteht aber noch Nachholbedarf, das räumen die AV-Kollegen aber auch ein. Zugleich freuen sie sich sehr über die Inspirationen von Bahn zum Berg und Zuugle und bestellen unser Öffi-Wanderbuch gleich mehrmals. Das freut uns wiederum!
Claudia Schallauer bringt dann meine allgemeineren Tipps und Ideen in ganz konkrete Touren und empfiehlt Wanderungen ebenso wie Ausflugsziele in der Umgebung. Dank ihr weiß ich jetzt auch, dass in Schärding (wo man von Ried aus wirklich flott mit dem Zug hinkommt) dieses Jahr die Landesgartenschau ist … Außerdem sind auch Tagestouren und Überschreitungen im Salzkammergut von Ried aus durchaus gut erreichbar.
Zudem gibt Claudia auch ganz praktische Tipps, die für Öffi-Wander-Neulinge oder Menschen (wie ich), die nicht so oft in OÖ wandern, wirklich hilfreich sind. Claudias neues Buch – natürlich ein Wanderführer! – erscheint übrigens im Mai.
Den Abschluss macht die Firma Löffler, die ihren Sitz direkt in Ried hat und für die Nachhaltigkeit nicht einfach nur ein Modewort ist. Es ist spannend und bemerkenswert zu hören, dass es noch Textilproduktionen gibt, die Reparaturservices anbieten, die wirklich sehr regional produzieren und nicht die ganze Produktion nach Asien ausgelagert haben.
Kleiner Tipp: Es gibt auch Werksführungen bei Löffler, die sehr interessant sein sollen!
Als die Inputs vorbei sind, freuen sich zwei Menschen noch ganz besonders: Wir verlosen nämlich anlässlich unserer Jubiläumsjahres (#bahnzumbergwird10) ein Merinoshirt und ein OÖ-Wanderbuch. Beides wird mit Freude entgegengenommen.
Lücken, Zweifel, Enthusiasmus und – viel Austausch!
Das kleine Buffet ist schnell geleert, der Ausklang ist mindestens genauso wuselig und interessiert wie der Beginn der Veranstaltung. Hier kommen mir auch viele Lücken zu Ohren – dass es am Wochenende weitaus schlechtere Verbindungen ab Ried gibt als werktags. Dass der Bahnhof in Ried überhaupt nicht barrierefrei ist und ein Rolli-Fahrer diesen überhaupt nicht benutzen kann (eine Umplanung ist offenbar für 2026 angesetzt). Dass es in einem so zersiedelten Gebiet wie dem Innviertel abends richtig schwer bis unmöglich ist, mit dem Bus zurück nach Hause zu kommen.
Ja, es gibt Lücken und auch mit den Infos der Nachbereitung kann ich verstehen, dass es für die Rieder:innen nicht selbstverständlich ist, mit Bus und Bahn in die Natur zu fahren – die Verbindungen sind hier wirklich nicht die schnellsten. Aber zugleich würde ich auch unterstreichen, dass so einiges trotzdem möglich ist und sich jede:r einzelne von uns auch einmal aus der eigenen Gewohnheits-Zone hinausbewegen kann. Denn: Es gibt auch lohnenswerte Öffi-Touren ab Ried. Auch z.B. Tagestouren mit einer Fahrzeit von 1,5-2 Stunden (in eine Richtung) in einer beeindruckenden Bergwelt wie zB im Salzkammergut sind möglich.
Mit einigen spreche ich im Anschluss noch über das Thema „Ist es nun verlorene Zeit, die Zeit im Zug oder Bus?“ Wir merken dabei, dass wir in den Öffis lauter Sachen machen, die im PKW (selbstlenkend) gar nicht möglich gewesen wären: am Laptop arbeiten, Nachrichten beantworten, gemütlich jausnen, schlafen & entspannen, ein Kartenspiel spielen. Insofern bleibe ich bei meinem Zugang, diese Zeit als „Bonus-Zeit“ und nicht als „Verlust“ zu werten.
Fazit: Was für ein Abend!
In einer Kleinstadt wie Ried einen so vollen Saal mit über hundert Menschen zu sehen, finde ich fast überwältigend. Ich habe das Publikum neugierig, diskussionsfreudig, mitunter auch kritisch erlebt. Aber: Dass so viele gekommen sind, dass so viele sich für unseren Newsletter angemeldet haben, das zeigt von einem echten Interesse und das freut mich.
Liebe Rieder:innen, good news ganz zum Schluss: Ried im Innkreis ist schon ein Heimatbahnhof geworden (danke an unser flottes Technik-Team Martin & Didi!) und ihr könnt euch Wanderungen sowohl auf Zuugle ab Ried als auch auf Bahn zum Berg ab Ried anzeigen lassen.
Ich hab von diesem Abend viel Energie und große Motivation für neue Projekte mitgenommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es 2025 noch eine Öffi-Wanderung mit Start ab Ried geben wird. Und vielleicht auch noch das eine oder andere Projekt?
Danke, Ried, für diesen großartigen Abend. Danke an die Giesserei und allen voran Max Gramberger für die umsichtige und feine Organisation. Danke an Claudia Schallauer, den AV Ried und Löffler für die inspirierenden Inputs!
Schön, was wir hier auf die Beine gestellt haben!