Dass sich die Bahn oft mit dem Vorurteil herumschlagen muss, unpünktlich zu sein, ist nichts Neues. Das hängt generell aber auch stark von der Region und somit der Auslastung der jeweiligen Strecke ab.
Ich war neugierig, wie pünktlich unsere TourenreporterInnen eigentlich ihre Bergabenteuer starten und habe fünf von ihnen befragt. Meine eignen Erfahrungen lest ihr außerdem auch in der anschließenden Fragenbeantwortung.
Du bist neu hier oder bist noch nicht so Öffi-erfahren wie die meisten von uns? Dann helfen dir hoffentlich unsere Tipps und gemachten Erfahrungen weiter! Ich kann selbst bestätigen: Aller Anfang ist manchmal schwer – aber mit ein bisschen Vorwissen geht’s gleich leichter und die Übung macht dann den Meister!
- Wenn du an deine letzten 5 bis 10 Wanderungen bzw. Bergtouren zurückdenkst, wie pünktlich bist du jeweils bei den Ausgangspunkten angekommen?
Karl: Ich war immer pünktlich. Mein Vorteil: ich nütze vorwiegend den Regionalverkehr, also die S-Bahn und den Bus (von der Umgebung der Stadt Salzburg bis in den Pinzgau).
Veronika: Bei den letzten 10 Wanderungen bin ich einmal gar nicht am Wunschziel angekommen (weil Anschluss verpasst und dann umdisponiert), sonst immer pünktlich.
Nikolaus: Großteils wie geplant, (schmunzelt) trotz deutscher Bahn. 😉
Gerold: Schon lange keine Verspätung.
Sarah: Sehr pünktlich.
Alice: Ja, bei meinen letzten 10 Wanderungen gab es keine Verspätungen.
- Bist du auch fahrplanmäßig wieder nach Hause gekommen?
Karl: Ja.
Veronika: Ja, immer.
Nikolaus: Die Rückfahrt ist verglichen mit der Hinfahrt häufiger problematisch, z.B. im Tiroler Unterland. Beim öfters Umstiegen passiert es, dass Anschlüsse nicht funktionieren wegen Verspätungen. In der Früh gibt es weniger Verspätungen. Nach Hause gekommen bin ich aber bisher immer.
Gerold: Auch ok – keine Probleme.
Sarah: Auch pünktlich.
Alice: Ja bei den letzten 10 Wanderungen gab es keine Verspätungen.
- Hast du bei diesen Touren hauptsächlich Züge, Busse oder beides genutzt?
Karl: Beides. Meist ist es die S3, und der Bus 150 etc.
Veronika: Beides.
Nikolaus: Oft beides, der Zug ist aber immer dabei.
Gerold: Beides.
Sarah: Hauptsächlich Züge.
Alice: Oft beides, Busse immer.
- Kannst du dich an frühere Wanderungen erinnern, bei denen es Probleme beim Fahrplan gegeben hat?
Karl: Einmal ist eine S3 um eine ½ Stunde zu spät von Golling nach Salzburg gefahren; so konnte ich noch etwas zum Essen kaufen. 😊
Veronika: Am Sonntag nach dem Hochwasser, als die Weststrecke zusammenbrach, wollten wir über Eichgraben nach Mayerling. Morgens im Scotty alles normal, aber schon am Westbahnhof ging das los, schlussendlich in Rekawinkel gestrandet und ein Taxi nach Hütteldorf genommen. Und vor längerem eine Tour im Pongau – von Wien zu den Marbachalmen in Flachauwinkel: 5x umsteigen, gewagt, hat dann auch nicht geklappt: Nadelöhr Radstadt. Der Wanderbus fuhr damals nicht am Bahnhof weg, sondern oben bei der Post (10 Minuten Fußmarsch, wenn man´s weiß) – damit wäre die 2 Tagestour über die Franz Fischer Hütte und den Tappenkarsee ins Wasser gefallen. Ein lieber Freund aus Altenmarkt hat mich dann gerettet und Privattaxi gespielt.
Nikolaus: Sowohl hin als auch zurück bin ich immer gekommen. Vor ungefähr 2 Jahren hat ein Anschluss mal nicht funktioniert.
Gerold: Ja, z.B. ist ein Bus nicht gekommen am Hinweg zur Wanderung. Per Autostopp hab ich es aber zum Ausgangspunkt geschafft.
Sarah: Ja, einmal ist der Triebwagen des Zugs eingegangen, das war nicht mehr weit entfernt vom Ziel. Per Anhalter sind wir und auch andere Wanderer dann zum Ausgangspunkt der Wanderung gekommen.
Alice: Ja gelegentlich, im Sommer gab´s eine Verzögerung beim Heimweg von den Eisenerzer Alpen (maximal 1 Stunde länger, dafür waren wir noch Eis essen in Leoben). Ein anderes Mal bin ich mit dem Regionalzug mitten in ein Unwetter gekommen und wegen einem Murenabgang war die Weiterfahrt nicht möglich. Da wegen des Starkregens viele Straßen überflutet und gesperrt waren, dauerte es eine Weile bis ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde, aber ich kann über diese Ausnahmesituation nur berichten, dass die zuständigen Personen super gehandelt haben und wir Fahrgäste uns sicher und gut aufgehoben fühlten. Per SEV ging´s dann bis zum Zielbahnhof, mein letzter Bus war dann leider schon weg aber ich konnte abgeholt werden. Es gab auch schon einen Fall (vor über einem Jahr), wo ich bei der Hinfahrt aufgrund eines Zugausfalls nicht den gewünschten (leider einzigen) Bus erreichen konnte. Zum Glück ist mir und meiner Begleiterin sehr schnell ein Plan B eingefallen.
Mein erstes Resümee: In der Regel kommen wir ziemlich pünktlich zu unseren Wanderungen, auch trotz deutscher Bahn. 😉 Einen Plan B zu haben, vor allem bei Anfahrten mit vielen Umstiegen, ist aber sowieso immer gut – auch wenn z.B. ein Wanderweg unvorhergesehen gesperrt ist. Mit Hilfe von Autostoppen kommen sympathische Wanderer oftmals auch so weiter. Das ist bestimmt nicht jedermanns Sache, aber auch hierzu kann ich bisher keine negativen Geschichten erzählen.
- Wofür nutzt du für gewöhnlich die Zeit in den Öffis während der An- und Abreise?
Karl: Zum Lesen, zum Leute-Beobachten, zum Aus-dem-Fenster-schauen und zum Dösen, manchmal auch zum „Vorsortieren“ der Fotos.
Veronika: Aus dem Fenster schauen, schlafen, Bier trinken, Hörbuch hören, nix tun.
Nikolaus: Wenn ich alleine bin, meistens gar nichts tun und aus dem Fenster zu schauen. Das ist sehr entspannend.
Gerold: Meistens für Lesen und manchmal um die Strecke nochmals anzuschauen bzw. zu planen.
Sarah: Zum Schlafen, zum Fotos Sortieren und Verschicken. Ich arbeite auch am Handy und plane die nächsten Touren. Wenn ich in einer Gruppe unterwegs bin, unterhalten wir uns natürlich auch.
Alice: Bei der Hinfahrt, also in der Früh, immer zum Frühstücken (meistens vorbereitetes Müsli/Porridge mit Obst). Ansonsten um Nachrichten zu beantworten, Musik zu hören, aus dem Fenster zu schauen, Touren zu planen, Social Media und im Zug: aufs Klo zu gehen.
- Was sind für dich No-Go´s in den Öffis (und über welches Verhalten von anderen Passagieren hast du dich schon mal geärgert)?
Karl: Wenn ich RJX nach Wien fahre, steige ich nicht mehr in den Ruhewagon ein, denn dort ärgert mich das Reden, in den anderen Waggons nicht. Zu stark parfümierte Mitreisende oder intensiver Essensgeruch steigt mir in die Nase. Ein No-Go ist für mich das „Vorglühen“ und dem entsprechenden Gegröle, das im Vorfeld von Festivals oder Hochzeiten hinzunehmen ist…
Veronika: Arge Geschichte: Railjet nach Bad Gastein: Ein besoffener Typ wurde übergriffig, er hat sich so im Zug positioniert, dass man sich an ihm vorbeiquetschen musste, er begrapschte die vorbeigehenden Frauen. NIEMAND hat etwas gesagt. Ich hätte ihm gerne eine „geflascht“, hab mich dann aber auch nicht getraut.
Nikolaus: Immer wieder beobachte ich, dass Leute ihren Nachbarplatz mit Taschen etc. besetzen und nicht freimachen, obwohl andere Fahrgäste im vollen Zug stehen. Was mich auch ärgert, ist das nicht Aussteigen lassen, durch Personen am Bahnsteig, die einsteigen wollen.
Gerold: Aggressives Verhalten beim Schwarzfahren, exzessiver Alkoholkonsum, Ignorieren der Ruhezonen, Blockieren des vorgesehenen Bereichs für Fahrräder.
Sarah: Schuhe auf den Sitzen! Musikhören oder Videos schauen ohne Kopfhörer, bzw. Videoanrufe ohne Kopfhörer. Stark riechendes Essen.
Alice: Wenn Plätze nicht freigemacht / angeboten werden, Musikhören etc. ohne Kopfhörer und ich halte es schwer aus, wenn vor/hinter mir jemand sitzt, der kurz vor dem Einsteigen geraucht hat.
- Wie lange vor der Abfahrt bist du für gewöhnlich am Bahnhof oder an einer Haltestelle?
Karl: Mit dem Rad kann ich die Anfahrtszeiten mittlerweile sehr gut einschätzen: Ich bin plus/minus 5 Minuten früher dort. Bei der Heimfahrt ist das anders, da ich den Weg zur Haltestelle vom Berg aus nicht so exakt abschätzen kann.
Veronika: 5 – 10 Minuten.
Nikolaus: Bei der Hinfahrt üblicherweise 5 Minuten. Bei der Rückfahrt vom Berg kann es auch eine Stunde sein.
Gerold: 1 Minute (lacht). Von zu Hause meistens sehr knapp.
Sarah: Mein Wunsch sind meistens 10 Minuten vor Abfahrt dort zu sein, in der Realität sind´s dann ca. 4 Minuten.
Alice: Bei der Bushaltestelle zwischen 1-5 Minuten. Wenn ich am Bahnhof (meistens in Graz) umsteige, plane ich dafür 10-15 Minuten ein. Zu knappe Umstiege von Bus auf Zug (z.B. 4 Minuten laut Fahrplan) können zu wenig sein. Das betrifft die Hinfahrt, bei der Rückfahrt hofft man, dass die 4 Minuten ausreichen. Dann steige ich als erstes aus dem Zug und renne zum Bussteig.
- Hast du irgendwelche Tipps für unsere LeserInnen oder speziell für Öffi-Neulinge?
Karl: Hier gibt es aus meiner Erfahrung vor allem eines zu sagen: Es geht um Gewohnheiten! Wenn Du Dir das Öffi-Fahren mal angewöhnt hast, kennst Du Dich aus, und mit dem Klima-Ticket ist es wunderbar einfach! Mit der Zeit wirst Du Dich im ÖFFI zu Hause fühlen, entspannen, und es genießen, ohne selbst Verantwortung tragen zu müssen sicher – in Gemeinschaft mit den anderen Fahrgästen! – ans Ziel zu kommen.
Veronika: Railjets kann man oft vermeiden, meist sehr voll, es gibt immer einen Cityjet, der fast genauso schnell ist, der wenige Minuten vorher oder nachher losfährt. Railjet: reservieren und lernen, wie das mit dem Wagenstandanzeiger am Bahnsteig funktioniert. Für Busfahrten Ticket oder Kleingeld schon vorher herrichten und nicht erst beim Einsteigen suchen.
Nikolaus: 1) Einfach ausprobieren! Es funktioniert viel besser als der „Laie“ es sich vorstellt.
2) Darauf einstellen, dass man manchmal flexibel sein muss, z.B. wenn ein Anschluss verpasst wird.
3) Den Vorteil nutzen, dass man woanders raufwandern kann, als man runterkommt.
Gerold: Die Zeit im Zug nutzen um zu Frühstücken z.B. im Railjet Speisewagen. Gut ist es auch einen Plan B (also eine alternative Wanderung) zu haben, wenn ein Anschluss nicht funktioniert.
Alice: Umstiege nicht zu knapp wählen, vor allem, wenn man den Bahnhof / die Haltestelle noch nicht kennt. Da kann es auch helfen, den Fußweg für den Umstieg vorher in der App anzuschauen. Das nimmt Stress und verringert die Umsteigezeit. In Bussen nicht vergessen, die Haltewunschtaste zu drücken. Wenn ich wo nicht ortskundig bin und es keinen Bildschirm im Bus gibt, dann verfolge ich manchmal die Fahrt in der Handyapp mit, um zu wissen wo ich bin.
- Fällt dir zum Schluss noch eine lustige Anekdote zum Öffi-Fahren ein?
Karl: Nicht lustig, aber erstaunlich: Als ich mit Freunden in einem kleinen Bus unterwegs war und wir den Busfahrer etwas gefragt haben, hat er uns in gutem Englisch geantwortet…
Veronika: Ja – die Entdeckung des Tappenkarsees. Wieder einmal in Altenmarkt im Pongau unterwegs. Das Wander- und Linienbus System dort war vor ein paar Jahren für Nicht-Einheimische nicht klar zu verstehen (siehe Marbachalm). An diesem Tag wollten wir nach Obertauern. Nachdem der Bus nicht kam und wir auch aus den Fahrplantafeln nicht ganz schlau wurden (so viele Ausnahmen, Wanderbus nicht im Fahrplan etc.), befragten wir eine junge Fau im Wanderoutfit, die vermeintlich auch auf den Bus nach Obertauern wartete. „Der fährt heute nicht, erst morgen wieder!“ war die ernüchternde Antwort. Und weiter, „Ich fahr nach Kleinarl, zum Jägersee, von dort wandere ich hinauf zum Tappenkarsee – ist sehr schön dort!“ See klang verlockend, so folgten wir ihr „auffällig“. Wir drei waren die einzigen Fahrgäste. Ich bin der jungen Frau noch heute dankbar. Die Entdeckung des Tappenkarsees verdanke ich ihr. Und „sehr schön dort“ ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Es ist ein Paradies! 😊
Nikolaus: Vor ein paar Jahren bin ich im Bus im Zillertal zum Stausee Schlegeisspeicher gesessen. Da war schon die Busfahrt für sich ein Erlebnis, denn die Strecke führt durch einspurige, enge Tunnel, durch die der Bus geheizt (schnell gefahren – Anm. d. Red.) ist – nichts für schwache Nerven aber definitiv besonders.
Gerold: Im Zug, der gerade nach Bruck an der Mur einfährt, kommt folgende Durchsage: „Vergessen Sie Bruck an der Leitha, vergessen Sie Bruck am Großglockner, willkommen im besten Bruck – an der Mur.“
Sarah: Da kann ich über mehrere berichten. Das vorher erwähnte Autostoppen war wirklich nett: Der ältere Herr, der gehalten hat, hat extra die Kindersitze seiner Enkelkinder in den Kofferraum gegeben, um uns Platz zu machen. Er erzählte uns, dass er zum Arzt gefahren ist, der allerdings nicht offen hatte – er ist quasi umsonst gefahren. Mit uns Autostoppern war der Weg dann nicht ganz umsonst.
Ein anderes Mal war ich mit einer Wandergruppe von 18 Personen unterwegs und wir stiegen in einen Regionalbus. Der Busfahrer konnte seinen Augen nicht trauen, dass der Bus, der sonst eher leer ist, jetzt fast voll war.
Alice: Mir und meinem Freund ist vor ein paar Jahren ein richtiger Anfängerfehler passiert, das war noch vor Klimaticket-Zeiten. Wir sind öffentlich ins Ötztal gefahren, waren dort Wandern und sind von Südtirol zurückgefahren. In Gleisdorf mussten wir von einem Bus in den anderen umsteigen. Damals gab es noch die Haltestelle (die es nicht mehr gibt) und danach kam Schillerstraße-Busbahnhof. Wir sind bei der falschen Station ausgestiegen und der Bus kam nie, weil er beim Busbahnhof gestanden ist. Was mir auch schon gelegentlich passiert ist: Ich schnalle mich im Bus immer an, wenn es einen Gurt gibt und wollte auch schon ein paar Mal angeschnallt aussteigen.
Fazit
Eigentlich kommen wir meistens sehr pünktlich zu unseren Zielen. Was das Öffi-Fahren generell betrifft, so hat es Karl sehr gut formuliert. Es geht um Gewohnheiten! Das kann ich voll und ganz bestätigen, finde aber auch, dass das im Leben vieles betrifft. In gewohntem Umfeld fühlen wir uns wohl, wir kennen uns dort aus. Kommen wir an neue Orte, müssen wir uns erstmal orientieren und vertraut machen.
Vielen Dank an dieser Stelle an meine Interviewpartner! Und danke, dass ihr eure netten Geschichten und Tipps mit uns teilt. Weil Veronika bereits einen Tourentipp gegeben hat, hab ich noch ein paar weitere herausgesucht.
Du traust dir lange Anfahrten mit 3 Mal Umsteigen (noch) nicht zu? Dann starte mal mit einer Tour mit ganz unkomplizierter Anreise.
Da denke ich beispielsweise an den Bahnwanderweg zwischen Semmering und Breitenstein, den ich selbst schon ein paar Mal gegangen bin. Semmering ist von Graz und Wien fast gleich schnell zu erreichen. Sarah hat bereits vor ein paar Jahren über den schönen Weg entlang der Unesco Weltkulturerbe Strecke berichtet
Wenn du in einer anderen Ecke von Österreich (oder außerhalb) wohnst und der Semmering zu weit weg ist, dann such dir am besten selbst eine geeignetere Tour heraus. Auf unserem Tourenportal https://www.bahn-zum-berg.at/ und auf https://www.zuugle.at/, der Öffi-Bergtouren-Suchmaschine sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Du wanderst bereits selbst fleißig mit öffentlicher oder teil-öffentlicher Anreise? Wenn du noch kein Mitglied bist, dann kann ich dir wärmstens empfehlen. Unsere Community wächst stetig und lebt von allen Mitgliedern, die sich einbringen. Durch den Austausch lernen wir voneinander und inspirieren uns so zu noch mehr Abenteuern. Auch die gemeinsamen Wanderungen lieben wir und werden wir regelmäßig durchführen, genauso wie weitere tolle Veranstaltungen.