Ein Erfahrungsbericht von Alice Frischherz
Über meine Erkenntnisse aus einem Jahr Mobilitätsanalyse – was habe ich gelernt und wo bin ich an meine Grenzen gestoßen?
Im vorigen Blogbeitrag über das erste Halbjahr 2024 habe ich meine Mobilitätssituation (am Land) erklärt und die Analyse der ersten beiden Quartale vorgestellt. Lies hier gerne nochmals den ersten Teil nach.
Ich habe auch das zweite Halbjahr genau analysiert, ich war viel unterwegs und habe viele verschiedene Mobilitäts- und Transportformen verwendet.
Im zweiten Halbjahr 2024 war ich gefühlt mehr unterwegs als im ersten
Von Januar bis Juni 2024 waren alle Strecken ca. 30.000 km lang (ca. 1.200 Wege). Von Juli bis Dezember 2024 waren es ca. 20.000 km (ca. 1.250 Wege). Also ähnlich viele Wege aber gesamt gesehen kürzere Distanzen. Vielleicht verschwimmt die Wahrnehmung des ersten Halbjahrs bereits, weil es schon so lange her ist. Dadurch, dass ich im ersten Halbjahr eine Flugreise gemacht habe, waren das so viele Kilometer mehr.
Es gab jedenfalls immer wieder Zeiten, da war ich mir selbst zu viel unterwegs und hätte öfters mal mehr Stillstand gebraucht. Beim Reflektieren fällt mir auch auf, dass mir schnelle Ortswechsel (wie man sie beim Fliegen hat) manchmal nicht so guttun. Man ist dann so schnell dort! Es gibt Phasen da reise ich lieber langsam – eine gute Möglichkeit dafür sind neben dem Zufußgehen auch das Radfahren. Apropos Radfahren: Da habe ich im Sommer 2024 wiedermal festgestellt, dass sich das bei mir „am Land“ leider nicht gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren lässt – dazu später mehr.

Jetzt möchte ich die genauen Zahlen aus einem Jahr Mobilitätsanalyse zeigen:
Ergebnis meiner Mobilitätsanalyse des zweiten Halbjahrs 2024
Alle Strecken, die ich im zweiten Halbjahr 2024 zurückgelegt habe sind in Summe ca. 19.612 km lang und an der Zahl waren es 1.249 Wege / Strecken. An diesen 184 Tagen war ich an 23 Tagen gar nicht unterwegs (bzw. ohne Ziel unterwegs – denn Strecken, die eine sportliche Ursache haben, wie Wandern, Laufen, Spazieren gehen, Radfahren habe ich nicht in der Analyse erfasst). Die meisten Strecken habe ich zu Fuß zurückgelegt – nämlich genau 600 – gefolgt von 370 Öffi-Fahrten, dann kamen 152 Autofahrten und 111 Fahrradfahrten (mit konkretem Ziel). Die genauen Zahlen sind im folgenden Kreisdiagramm dargestellt. In der Legende stehen in Klammer die Zahlen des ersten Halbjahrs. Die Zahlen sind relativ ähnlich – im zweiten Halbjahr bin ich mehr Fahrrad gefahren und weniger mit den Öffis, auch bin ich weniger im Auto bei anderen mitgefahren. Im darauffolgenden Balkendiagramm sind die Entfernungen dieser Strecken und der Strecken aus dem ersten Halbjahr zu sehen.


Das Diagramm mit den Entfernungen zeigt, dass ich ungefähr jedes Quartal gleich viel mit dem PKW unterwegs bin. Wie auch schon im ersten Halbjahr, ist mir bei der Analyse des zweiten Halbjahrs aufgefallen, dass ich in den wärmeren Monaten nicht nur mehr mit dem Rad fahre, sondern auch mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Mit blindem Passagier im Regiobus
Im August hatte ich mich mit meinem Papa im Ennstal verabredet: Wir wollten gemeinsam einen Teil des Ennsradwegs R7 fahren. Naja, wirklich sehr optimistisch habe ich mich also mit meinem Rennrad und minimalem Gepäck in der Früh an die Bushaltestelle gestellt um nach Graz zum Bahnhof zu kommen. Der Bus (mit dem ich fast tagtäglich in die Arbeit fahre) kommt und ich hab heute noch den Gesichtsausdruck des Busfahrers vor Augen. Der war geprägt von Kopfschütteln und ein bisschen Augen verdrehen. Trotzdem hat er dankenswerter Weise eine Ausnahme gemacht und mich inklusive Rad mitgenommen, mit der Aussage „Normal nicht!“. Mein Verständnis dafür, dass es nicht erlaubt ist hält sich in Grenzen. Mir ist bewusst, dass es um Sicherheit geht und dass der Platz, wo mein Fahrrad (natürlich fixiert) stand, für Rollstuhlfahrer:innen und Kinderwägen reserviert ist. Aber: Ich fahre so oft mit dem Bus – noch nie wurde der Platz zu den Pendler-Stoßzeiten von solchen genutzt. Und ich hätte kein Problem gehabt ihnen Platz zu machen.

Naja mit meinem blinden Passagier bin ich gut nach Graz gekommen, weiter gings mit dem IC nach Radstadt – den Platz fürs Bike hatte ich reserviert und da hat alles gut funktioniert. Auch bei der Rückfahrt von Selzthal gabs keine Probleme im Zug. In Graz kam mir dann natürlich wieder das Schwitzen, ob ich mitgenommen werde. Nachdem zeitgleich gerade ein Schienenersatzverkehr statt dem Zug „in meine Richtung“ fuhr, hätte ich nicht mal einen Teil der Strecke mit dem Zug zurücklegen können. Mit ein bisschen Argumentieren durfte ich mein Rad liegend in den Kofferraum schieben – auf eigenes Risiko, sollte etwas kaputtgehen. Der Ennsradweg hat mir extrem getaugt und ich würde gerne auch 2025 im Sommer wieder ein ähnliches Radabenteuer starten. Wie werde ich dann nach Graz zum Bahnhof kommen? Natürlich könnte ich auch mit dem Rad hinfahren, aber dann geht einfach schon relativ viel Zeit drauf…
Graz-Paris
Wie auch schon im ersten Halbjahr (da war ich im Mai mit Bahn und Bus in Deutschland und Dänemark unterwegs), bin ich auch im zweiten Halbjahr öffentlich durch Europa gereist. Im November bin ich über Zürich nach Paris gefahren. Retour gings über München. Leider gab es zu diesem Zeitpunkt den direkten Nightjet von Wien nach Paris aufgrund von Bauarbeiten nicht. Somit hab ich mich für den Nightjet nach Zürich entschieden (schlafen und reisen liebe ich), habe mir untertags dann die Schweizer Stadt angeschaut und bin über Nacht per Flixbus weiter nach Paris gefahren. Zurück waren es wieder der Flixbus über Nacht nach München, wo ich auch ein paar Stunden verbracht habe (gemütlich frühstücken und spazieren war) und dann direkt mit dem IC retour nach Graz und dann weiter per Bus nach Hause gefahren bin. Es war eine anstrengende An- und Abreise, aber ich habs nicht bereut, nicht geflogen zu sein, wie der Rest der Reisegruppe. Außerdem haben die Anderen Zürich und München verpasst 😉

Meine zurückgelegten Wege mit den Öffis waren im Jahr 2024 31.029 km lang. Abzüglich der Strecken außerhalb Österreichs waren es: ca. 27.027 km. Somit hat mich jeder österreichische Öffi-Kilometer umgerechnet 0,04€ gekostet (beim damaligen Jahrespreis von 1.095 € für das Klimaticket Österreich). Also hab ich auch im dritten Jahr Klimaticket einen unschlagbaren Kilometerpreis erzielt J


Fahrradfelgentransport am Rad-Rucksack, um Ersatzteile zu kaufen; Halloween im Abbringer-Bus im Burgenland (mittlerweile ist er schon mit Faschingsgirlanden geschmückt). Fotos: Alice Frischherz
Neben der Europareise gab es auch im Oktober etwas Besonderes. Ich durfte bei einem Testmonat teilnehmen – durchgeführt von der Regionalentwicklung Oststeiermark (REO). Ich und 12 andere sollten möglichst viele unterschiedliche Mobilitätsformen ausprobieren, wenn möglich aufs Auto verzichten, aber auch aufzeigen, wo man am Land nicht darauf verzichten kann, weil es keine Alternativen gibt. Wir durften auch den Bedarfsverkehr SAM nutzen und allen, die nicht selbst schon ein Klimaticket hatten, denen wurde ein Ticket für die ganze Steiermark zur Verfügung gestellt. In diesem Monat habe ich versucht noch weniger Auto zu fahren und habe stattdessen öfters das SAM genutzt. Vorrangig, habe ich versucht es als Zu- oder Abbringer bzw. als Ergänzung zum ÖV zu nutzen, so bin ich beispielsweise zum nächsten Bahnhof gefahren, dann ein Stück mit dem Zug und von dort wieder mit dem SAM weiter und habe eine Freundin im Norden der Oststeiermark besucht. Praktisch? Jein – denn es hat schon um einiges länger gedauert, als wenn ich einfach mit dem Auto gefahren wäre und es wäre noch dazu ziemlich teuer gewesen, hätte ich den Bedarfsverkehr selbst bezahlen müssen. Das war an einem Wochenende und gerade da sehe ich noch sehr großen Handlungsbedarf. Viele Verbindungen gibt es am Wochenende gar nicht – das SAM kann meiner Meinung nicht die Alternative dafür sein.
Ein paar Mal habe ich mein Fahrrad mitgenommen (für mich schon fast Luxus, denn im Bus geht das nicht, wie vorher schon erwähnt). Somit konnte ich quasi eine Fahrrad-“Öffi“-Kombi testen.
Nach dem Testmonat wurden alle Ergebnisse der Teilnehmenden analysiert (alle mussten auch ein Wegetagebuch führen) und gemeinsam mit den Ergebnissen einer Onlinebefragung und vertiefenden Telefongesprächen wurden Maßnahmen abgeleitet – die hoffentlich bald umgesetzt werden. Die Ergebnisse sind hier zu finden.
Was ich aus dem Ergebnisbericht gelernt habe: Nur ein Drittel der Oststeirer:innen hat eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Und von den Befragten hat ein Drittel angegeben, dass sie deswegen mit dem Auto fahren, weil es keine Alternative gibt.
Wenn wir nur eine Ortschaft weiter „abseits“ wohnen würden, entfernt von der guten Busverbindung nach Graz, dann hätten wir im Haushalt vermutlich ein zweites Auto. Denn selbst wenn ich mit dem Bus nach Graz fahren würde, müsste ich vorher zur Bushaltestelle kommen. Wenn es keinen Zubringer-Bus gibt, wenn der Weg zu lange ist um das tagtäglich mit dem Rad zu fahren (bei jeder Witterung), wenn einem das Sammeltaxi zu teuer ist um es täglich als Zu- und Abbringer zu buchen, dann hätten wir in diesem theoretischen Fall bestimmt ein zweites Auto („NUR“ um diese Strecke zurücklegen zu können).

Wie auch schon im ersten Halbjahr, habe ich auch gesamt betrachtet im Jahr 2024 das Auto an den Wochenenden mehr genutzt als an Wochentagen. Mein stärkster Öffi-Tag war durchgängig der Freitag – da es mein freier Tag ist, an dem ich oft Wandern bin. In den „Winter“-Quartalen fällt auf, dass es mehr Tage gibt, an denen ich nicht unterwegs bin; während die „Zuhause“-Tage in den warmen Monaten seltener sind.
Mit der Analyse bin ich gesamtbetrachtet recht zufrieden. Besonders freut mich, dass meine Öffi-Kilometer so billig sind und dass ich das Klimaticket nach wie vor voll und ganz auskoste.
Learnings
Leider ists gelegentlich nur mit dem Auto möglich bestimmte Ziele zu erreichen (bei der aktuellen Situation). Aber ich finde mittlerweile auch, dass es nicht heißen sollte: Auto – Ja oder Nein?, sondern viel mehr Auto – Wo? Wohin? Wie oft? Wie weit?
Die Grenzen
Eine spürbare Grenze im öffentlichen Verkehr stellt in meiner Region die Landesgrenze zwischen Steiermark und Burgenland dar. Das ist auch eines der Handlungsfelder der REO, das sich im Zuge der Erhebung abgeleitet hat, so lässt sich nur hoffen, dass sich hier rasch etwas tut – wie z.B. eine Schnittstelle des steirischen SAM und des burgenländischen BAST zu schaffen. Am Wochenende gibt es generell ganz viele Grenzen – überall wo Busse nur unter der Woche fahren. Eine weitere bereits angesprochene Grenze ist das Fahrradtransport-Thema im Bus. Eine „technische Grenze“ habe ich gespürt, als ich bei einer Bushaltestelle gewartet habe und der Bus an mir vorbeigefahren ist: Die Haltestelle war sowohl in der Öffi-App als auch bei Google Maps an einer falschen Stelle eingetragen. Diese Grenze habe ich immerhin aufklären können, als ich beim Busbetreiber nachgefragt habe und die Haltestelle wurde inzwischen berichtigt. Beim zu Fuß gehen habe ich übrigens auch sehr viele Grenzen kennengelernt. Da gibt es nämlich etliche Stellen, an denen es nur für Sportliche möglich ist Straßen zu überqueren: nämlich, wenn man schnell ist. Denn, wo sind die Zebrastreifen geblieben? Landesstraße, Tempo 80, Bushaltestellen an beiden Straßenseiten – wie/wo soll man denn dorthin kommen? Ähnliche Situationen hab ich auch schon bei Bahnhöfen erlebt, z.B. in Mautern (allerdings im Ortsgebiet) und zuletzt in Maria Saal in Kärnten. Es gibt so viele fußgängerunfreundliche Straßenabschnitte – auch da sehe ich viel Handlungsbedarf. Ein Zebrastreifen oder eine Möglichkeit, sicher die Straße zu überqueren sollte das Mindeste sein.
Fazit und Ausblick
Im Jahr 2025 mache ich keine genaue Mobilitätsanalyse aber da ich auf neue Wege / Kombinationen draufgekommen bin, habe ich dahingehend ein bisschen was vor. Etwa möchte ich – vor allem im Sommer – öfters eine Rad-Zug-Kombi versuchen, indem ich mit dem Rad zum nächstgelegenen Bahnhof fahre (ca. 15 km), dann ein paar Stationen mit dem Zug (der leider nur alle 2 Stunden fährt) und dann weiter mit dem Rad (nochmals ca. 12 km). Somit wird am Wochenende, wo es leider gar keine Busverbindungen zu diesem einen Ziel gibt, der aktive Rad-Weg durch die Rad-Zug-Kombi (die ja zum Glück möglich ist) verkürzt. Da ich mein Zweitrad endlich repariert habe und nach Graz gebracht habe (mit SAM und Zug), hab ich auch vor Bike&Hike Touren auszuprobieren. Im Mai mache ich beim firmeninternen „Klimalicht“-Projekt mit, bei dem ein Monat lang unter anderem aufs Auto verzichtet werden soll. Als Alternative bekommen die Teilnehmer:innen z.B. ein E-Bike (oder Lastenrad) – mit welchem ich dann auch vorhabe meine Freizeitstrecken von bis zu 45 km zurückzulegen (evtl. auch als Rad-Zug-Kombi).

Mein Ausblick wird sich stark auf die Handlungsfelder der REO richten. Im Oktober 2024 gab es allerdings schon eine Fahrplanverbesserung bei meinem Regiobus. Dieser hatte am Samstagnachmittag ein Loch von 4 Stunden – jetzt fährt er auch zu dieser Zeit stündlich. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, oder? Worauf ich mich im Jahr 2025 natürlich auch freue, ist die Inbetriebnahme der Koralmbahn am 14.12.2025, denn dadurch eröffnet sich für mich ein neues Wandergebiet und generell werden alle Ziele im Westen dann schneller erreichbar sein.
Ansonsten werde ich an Umfragen mitmachen, werde Feedback geben und weiter versuchen die Autofahrten zu reduzieren.