Mobil am Land (Teil 1)

Ein Erfahrungsbericht mit Analyse von Alice Frischherz

Blogbeitrag über die Wandlung meiner Mobilität innerhalb der letzten Jahre und die genaue Analyse des ersten Halbjahrs 2024.

Ich lebe „am Land“

in einer Marktgemeinde mit circa 3.700 Einwohner:innen in der Oststeiermark. Die Anbindung und Infrastruktur würde ich generell als eher gut bezeichnen – zum Beispiel gibt es täglich sehr gute Busverbindungen in die circa 45 Kilometer entfernte Landeshauptstadt Graz (Anmerkung: `sehr gut´ ist meines Erachtens nach abhängig davon, was man gewöhnt ist).

Seit ich das Klimaticket Österreich mein Eigen und meinen treuen Begleiter nennen kann, hat sich viel geändert an meinem Mobilitätsverhalten. Eigentlich schon kurz davor, denn durch einen Jobwechsel kann ich seit ungefähr drei Jahren öffentlich zur Arbeit fahren. Davor sah mein gewohnter Alltag noch ganz anders aus, und auch abgesehen vom Arbeitsweg, musste ich bzw. habe ich die meisten Strecken mit dem Auto zurückgelegt. Denn es ist hier „am Land“ leider gar nicht so einfach woandershin „am Land“ öffentlich zu fahren.

Mir liegt schon seit längerem eine bewusste und möglichst klimaschonende Mobilität sehr am Herzen. Angezipft hat mich das Auto schon, als ich es noch tagtäglich nutzen musste. Deswegen habe ich auch damals schon versucht Autofahrten zu vermeiden oder zu verkürzen. Durch Fahrgemeinschaften (wenn auch nur Teilstrecken) und die Kombination aus Fahrrad und Auto habe ich gelegentlich meine Autokilometer reduziert.

Meinen früheren Arbeitsweg von circa 45 Kilometer je Richtung habe ich zwei Mal komplett mit dem Rennrad zurückgelegt um Autofahrten zu vermeiden, viel öfter waren es nur Teilstrecken. Foto: Alice Frischherz
Meinen früheren Arbeitsweg von circa 45 Kilometer je Richtung habe ich zwei Mal komplett mit dem Rennrad zurückgelegt um Autofahrten zu vermeiden, viel öfter waren es nur Teilstrecken. Foto: Alice Frischherz

Seit meinem Jobwechsel habe ich diese Sorgen nicht mehr. Nach fast drei Jahren am neuen Arbeitsort bin ich kein einziges Mal mit dem Auto dorthin gefahren – für mich ein Gefühl von Freiheit. Ich habe mich irgendwie Stück für Stück vom Auto „befreit“. J Seither haben mein Partner und ich auch nur noch ein Auto gemeinsam – ganz ohne geht es leider nicht. „Nur noch eines“ – sollte wohl mehr als ausreichend sein – ist aber tatsächlich „am Land“, würde ich sagen, eher nicht Standard.

Nun gut, so viel zu meiner Vorgeschichte.
Seit dem Erwerb des (ganz nebenbei erwähnt – wie ich finde – unschlagbar günstigen) Klimatickets hat sich viel geändert. Es mag wahrscheinlich an mehreren Umständen liegen, aber bestimmt auch daran, dass ich nicht mehr fahren muss, sondern Passagier sein darf: ich finde, dass ich entspannter bin (oder auch einfach nur ein bisschen älter 😉 ). Wie auch immer – die gewonnene freie Zeit, in der ich mich nicht konzentrieren muss, nutze ich für anderes, wie zum Beispiel zum Schreiben der Rohfassung dieses Textes, für die genaue Analyse meiner Mobilität und oft auch zum Planen meiner Öffi-Wandertouren.

Ich genieße es, Passagier sein zu können und, mich nicht konzentrieren zu müssen; Ergänzend zu den Öffis hatte ich früher oft einen Scooter mit. Fotos: Alice Frischherz

Im ersten Klimaticketjahr (11/2021 – 10/2022) war ich neugierig, wie viel mich all die Öffi-Fahrten eigentlich ohne die neue Jahreskarte kosten würden. Außerdem wollte ich wissen, wie viel ich fahre. So kam ich auf 11.069 Kilometer beruflich und 9.388 Kilometer privat, also gesamt circa 20.500 Öffi-Kilometer. Mit dem Auto waren es im gleichen Zeitraum ca. 10.000 weitere Kilometer. Nachdem das Klimaticket Ö monatlich billiger ist als die frühere Monatskarte bzw. Jahreskarte für die 5 Zonen meines neuen Arbeitswegs, habe ich die Berechnung nur für die übrigen Strecken aufgestellt. Diese übrigen Fahrten hätten mich 1.640 € gekostet und umgerechnet hat mich jeder Öffi-Kilometer im 1. Jahr mit dem Klimaticket 0,0464 € gekostet – wie genial ist das eigentlich??? Billiger, also mit weniger als 5 Cent pro Kilometer, kommt man sonst würde ich sagen nur zur Fuß oder mit dem Rad vorwärts. Dass ein Auto in der Anschaffung, im Erhalt etc. viel mehr kostet, brauche ich nicht weiter auszuführen. Anders berechnet: Das Klimaticket Ö hat sich bei mir schon vor Ende des 5. Monats amortisiert.

Die einzelnen Fahrten hätte ich mir jedoch ohne Klimaticket eher nicht geleistet, noch dazu, wenn daheim eh ein Auto zur Verfügung steht. Nachdem wir aber „nur noch“ ein Auto hatten, stand dieses nicht immer zur Verfügung, und so musste ich – abgesehen vom Arbeitsweg – auch privat öffentlich fahren. Abgesehen vom „müssen“ wollte ich das natürlich auch. Da tut man sich allerdings „am Land“ dann manchmal eine kleine Weltreise an und fährt „mit der Kirchn ums Kreuz“. Über die Zumutbarkeit will ich an dieser Stelle aber nicht näher eingehen, das muss sowieso jeder selbst entscheiden, was für einen selbst und seine eigenen Lebensumstände zumutbar ist.

Im 2. Jahr Klimaticket waren die Zahlen ähnlich, nur, dass ich noch mehr unterwegs war: insgesamt 22.000 Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die mich ähnlich viel (bzw. wenig), nämlich 0,049 € je Kilometer gekostet haben. Im Vergleich übrigens 14.000 Kilometer mit dem Auto (Selbst gefahren und als Mitfahrerin).

Meine Statistik habe ich seit Beginn 2024 noch verfeinert. Mit dem Ziel, noch mehr auf das Auto zu verzichten, habe ich begonnen all meine Wege zu analysieren: Strecken, die ich zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Auto als Fahrerin, mit dem Auto als Passagier, mit den Öffis (Bus, Zug, Bim, Mikro-ÖV) zurücklege. Monat für Monat bzw. Tag für Tag habe ich das analysiert und nach Anzahl, also Häufigkeit, aber auch grob nach Distanzen und nach Wochentagen bzw. Wochenenden erforscht.

Die Ergebnisse habe ich quartalsweise auch auf Instagram veröffentlicht.

Ergebnis meiner Mobilitätsanalyse des ersten Halbjahrs 2024

Alle Strecken, die ich im ersten Halbjahr 2024 zurückgelegt habe sind in Summe circa 30.331 Kilometer lang und an der Zahl waren es 1.237 Wege / Strecken. An diesen 181 Tagen war ich an 24 Tagen gar nicht unterwegs (bzw. ohne Ziel unterwegs – denn Strecken, die eine sportliche Ursache haben, wie Wandern, Laufen, Spazieren gehen, Radfahren habe ich nicht in der Analyse erfasst). Die meisten Strecken habe ich zu Fuß zurückgelegt – nämlich fast 600 – gefolgt von 406 Öffi-Fahrten, dann kamen 171 Autofahrten und 61 Fahrradfahrten (mit konkretem Ziel). Die genauen Zahlen sind im folgenden Kreisdiagramm dargestellt. Im darauffolgenden Balkendiagramm sind die Entfernungen dieser Strecken zu sehen.

Meine gewählten Verkehrsmittel inklusive Anzahl der Strecken im ersten Halbjahr 2024. Foto: Alice Frischherz
Meine gewählten Verkehrsmittel inklusive Anzahl der Strecken im ersten Halbjahr 2024. Foto: Alice Frischherz
Alle Strecken des ersten Halbjahrs 2024 sortiert nach Verkehrsmittel und deren Entfernungen. Foto: Alice Frischherz
Alle Strecken des ersten Halbjahrs 2024 sortiert nach Verkehrsmittel und deren Entfernungen. Foto: Alice Frischherz

Wenn ich mir die Entfernungen so ansehe, schreit das nach einem neuerlichen Rekord Öffi-Jahr für mich (jetzt schon circa 17.000 Öffi-Kilometer) und somit wird quasi jeder Öffi-Kilometer noch billiger als in den Vorjahren? Stimmt nicht ganz, denn ich war auch im Ausland öffentlich unterwegs. Im ersten Quartal 2024 waren es gesamt noch etwas weniger, mit der wärmeren Jahreszeit bzw. mit dem 2. Quartal habe ich dann mehr und auch längere Strecken zurückgelegt. Im Mai standen neben einer Flugreise nach Marokko, die meine schöne Statistik leider ein bisschen versaut, auch öffentliche Reisen innerhalb Europas am Plan. Mit Bahn und Bus bin ich nach Berlin, Hamburg, Lübeck, Kopenhagen und München gereist – ausgehend von meinem Wohnort bzw. via Graz. Für die Flugreise habe ich mich nach längeren Überlegungen entschieden (Fliegen gehört für mich nicht mehr zum jährlichen Standard), in den nächsten Jahren möchte ich wieder bewusst darauf verzichten. Im nächsten Diagramm sind die längsten Einzelstrecken jedes Monats zu sehen (PKW, Öffis und Flugzeug).

Meine längsten Einzelstrecken im ersten Halbjahr, zum Beispiel: Wien, Matrei in Osttirol, Berlin, Kopenhagen, Marrakesch. Foto: Alice Frischherz
Meine längsten Einzelstrecken im ersten Halbjahr, zum Beispiel: Wien, Matrei in Osttirol, Berlin, Kopenhagen, Marrakesch. Foto: Alice Frischherz
Im Flixbus empfehle ich die erste Reihe der oberen Etage zu reservieren – hier am Weg von Lübeck nach Kopenhagen – für etwas mehr Beinfreiheit und „Sightseeing“. Foto: Alice Frischherz
Im Flixbus empfehle ich die erste Reihe der oberen Etage zu reservieren – hier am Weg von Lübeck nach Kopenhagen – für etwas mehr Beinfreiheit und „Sightseeing“. Foto: Alice Frischherz
Öffentlicher Stadt-Land-Bus im Westen von Marokko. Foto: Alice Frischherz
Öffentlicher Stadt-Land-Bus im Westen von Marokko. Foto: Alice Frischherz

Durchgängig auffällig ist, dass ich das Auto im Schnitt am Wochenende mehr nutze. Das liegt u.a. daran, dass „am Land“ bzw. in meiner Region die Öffi-Verbindungen am Wochenende oft schlechter (und damit sogar für mich unzumutbar) sind oder es sie gar nicht gibt. Einige Buslinien gibt es nur an Wochentagen, einige noch dazu nur während der Schulzeit. Da sehe ich noch viel Handlungsbedarf!

Mein stärkster Öffi-Tag ist durchgängig der Freitag, da es mein freier Tag ist. Vom Quartal 1 zum Quartal 2 haben sich meine Öffi-Fahrten um 5% gesteigert, meine Radfahrten um 3% erhöht und meine Autofahrten konnte ich um 10% reduzieren.

Meine Auto-Tage wurden weniger, meine Öffi-Tage wurden im Zeitraum 1. Quartal zu 2. Quartal mehr. Foto: Alice Frischherz
Meine Auto-Tage wurden weniger, meine Öffi-Tage wurden im Zeitraum 1. Quartal zu 2. Quartal mehr. Foto: Alice Frischherz

Mit dem Ergebnis meiner Analyse bin ich übrigens recht zufrieden – trotz der Flüge (für die ich mich ja auch bewusst entschieden habe). Besonders gefreut hat mich, dass die Autofahrten etwas weniger wurden. Vielleicht werden sie aber irgendwann auch wieder mehr. Das kann persönliche aber auch zum Beispiel gesundheitliche Gründe haben: Im März war ich krank und musste ein paar Mal zum Arzt. Seit meine Hausärztin ihre Praxis verlegt hat, komme ich dort (zumindest wenn ich krank und unfit bin) eigentlich nur mit dem Auto hin.

Generell geht’s nicht darum, etwas perfekt zu machen. Sondern darum, etwas zu Verändern und das beginnt beim eigenen Bewusstsein. Jede:r kann etwas bewirken. Viele kleine Schritte sind in Summe ein großer.
Die eigene Mobilität macht einen Großteil unseres Fußabdrucks aus. Das ist mir bewusst und an dieser „Schraube“ versuche ich zu drehen. Trotzdem fahre ich nach wie vor mit dem Auto: aber viel bewusster und weniger.

Fazit und Ausblick

In meinen drei Jahren Öffi-Fahren haben sich nicht nur mein Verhalten und meine Routine verändert, es gibt auch im Ausbau der Öffis in meinem Umkreis Positives zu berichten. Denn seit fast einem Jahr gibt’s im Burgenland mit dem BAST Sammeltaxi für mich endlich die Möglichkeit die letzten paar Kilometer ohne Auto/Fahrrad oder Scooter zu bewältigen. Zu meinem Scooter hatte ich ohnedies eine Hass-Liebe, denn die 5 Kilometer lange Scooterfahrt war oft mehr Qual als Segen. Nachdem ich regelmäßig auch bundesländerübergreifend unterwegs bin, nutze ich das Bast immer häufiger und bin ein großer Fan!

Dank des BAST Sammeltaxis habe ich mich nun auch von meinem Scooter befreit ;) Foto: Alice Frischherz
Dank des BAST Sammeltaxis habe ich mich nun auch von meinem Scooter befreit 😉 Foto: Alice Frischherz

Ein häufiger Grund, warum der ÖPNV nicht genutzt wird, ist, glaube ich, dass viele Leute (vor allem „am Land“) die Öffi-Verbindungen gar nicht so genau kennen, und einfach nur glauben, dass sie ganz schlecht sind. Ebenfalls stellt es möglicherweise ein Hindernis dar, wenn nicht die ganze Strecke öffentlich gefahren werden kann – aber sehr wohl Teilstrecken möglich wären.

Vorhanden aber nicht viel benutzt – viele Haltestellen „am Land“? Foto: Alice Frischherz
Vorhanden aber nicht viel benutzt – viele Haltestellen „am Land“? Foto: Alice Frischherz

Im 2. Teil dieses Blogbeitrags, den ich Anfang 2025 schreiben möchte, möchte ich neben der Analyse des zweiten Halbjahres auch auf meine Learnings eingehen und Herausforderungen beschreiben, denen ich mich bisher stellen musste.

Wie viele Kilometer werden es dieses Jahr? Was kosten mich diese Öffi-Kilometer? Kann ich mich vielleicht noch mehr vom Auto „befreien“?

Bist du jetzt vielleicht motiviert geworden deine Wege zu analysieren, Autofahrten zu reduzieren und deine Mobilität bewusster wahrzunehmen?

Wo ein Wille, da ein Weg!

Alice Frischherz
Alice Frischherz

Seit Alice das Klimaticket hat, legt sie alle Strecken die möglich sind öffentlich zurück und verzichtet bewusst aufs Auto. Auch wenn sie dafür mehr Zeit benötigt, hat sie das Gefühl diese besser nutzen zu können, als im Auto. Vor allem nach anstrengenden Bergtouren genießt sie es, sich während der Rückfahrt nicht konzentrieren zu müssen. Sie fährt auch mal mit dem Zug quer durch Österreich um einen Klettersteig zu machen. Neben wandern und klettern verbringt sie ihre Freizeit auch im Reitstall.